Wolfgang-Hillen-Sommerschule 2022

Prof. Dr. Andreas Herkersdorf
Technische Universität München
Fakultät für Elektro-/Informationstechnik - Lehrstuhl für Integrierte Systeme

E-Mail: herkersdorf@tum.de


Dr. Fadi Kurdahi
CECS - UC Irvine
The Henry Samueli School of Engineering
University of California,
Irvine CA 92697-2625, U.S.A.

e-mail: kurdahi@uci.edu

Modellierung und Entwicklung von self-X MPSoCs der nächsten Generation

17. – 21. Oktober 2022 – UC Irvine, Kalifornien

Self-X Eigenschaften wie Selbstanpassung, Selbstwahrnehmung, Selbstorganisation und Selbstheilung gelten als vielversprechende Kandidaten um mit der zunehmenden Komplexität von (Computer-)Systemen umgehen zu können. Aktuelle Forschung versucht diese Eigenschaften in eingebetteten Systemen anzuwenden. Dies ebnet den Weg zu smarten Geräten. Bei der Regelung von Systemen mit Hilfe von self-X Eigenschaften besteht eine Hauptaufgabe darin, die Komplexität von self-X Eigenschaften in einem Model zu abstrahieren.

Forschungsgruppen der University of California, Irvine (UCI), der Technischen Universität München (TUM) und der Technischen Universität Braunschweig haben das Modell der „Information Processing Factory“ (IPF) ins Leben gerufen. Damit zeigen sie wie self-X Eigenschaften über mehrere Abstraktionsebenen eines Multi-Processor System-on-Chips (MPSoC) hinweg auch für Anwendungen mit unterschiedlichen Anforderungen an die Zuverlässigkeit angewendet werden können. Die Kombination aus selbstorganisiertem Lernen und formalen, reaktiven Kontrollmethoden wird in IPF bereits im Entwicklungsprozess der Hardwareplattform berücksichtigt. Dies stellt sicher, dass die Anforderungen von sicherheitskritischen und hochverfügbaren Anwendungen erfüllt werden können.

Die Wolfgang-Hillen-Sommerschule von UCI und TUM möchte die Erkenntnisse des IPF-Projekts auf eine interaktive und praktische Art und Weise kommunizieren. Dabei werden die drei folgenden Ziele verfolgt:

Auf der Wolfgang-Hillen-Sommerschule an der UC Irvine präsentieren Forscher der University of California, Irvine, der Technischen Universität München und der Technischen Universität Braunschweig das IPF-Konzept sowie die gewonnenen Ergebnisse in Seminarvorträgen und Workshops. Zudem stellen Experten aus der lokalen Industriebranche den aktuellen Stand der Technik von self-X Systemen vor.

Informationen finden Sie unter:
https://www.ei.tum.de/lis/studentische-arbeiten/wolfgang-hillen-summer-school-2022/.

 

Abschlussbericht

Bevor wir unsere Wolfgang-Hillen-Sommerschule mit dem Thema “Modeling and Design of Next Generation Self-X MPSoC Platforms” durchführen konnten, mussten wir zwei Jahre lang Rückschläge aufgrund der COVID Pandemie und Reisebeschränkungen hinnehmen. In diesem Zusammenhang möchten wir BaCaTeC und insbesondere Dr. Rosenzweig für deren durchgehende Unterstützung danken.

Die Sommerschule fand vom 17. bis zum 21. Oktober 2022 in Irvine, Kalifornien statt. Fünf Tage (und Nächte) lang konnten Masteranden und Doktoranden aus Deutschland (München und Braunschweig), als auch aus Kalifornien (Irvine) die Vielfalt der Forschungsthemen im Bereich der vernetzten Self-X MPSoCs erkunden. Am ersten Tag wurden die Anwesenden von Keynotes von Industrievertretern und aus dem universitären Umfeld inspiriert. An den drei darauffolgenden Tagen gab es Hands-On-Workshops.

Nach einer sehr herzlichen Begrüßung und einem Kennenlernspiel, um den Austausch zwischen allen Anwesenden von den unterschiedlichen Standorten anzuregen, hatten wir eine Vortragserie zur Einführung. Die Vorträge wurden von Mitarbeitern von PerceptIn, Mercedes Benz, NVIDIA, UCI, SDSU, TUBS und TUM gehalten und gaben Einblicke in Sicherheit und Verifikation, maschinelles Lernen (ML), Selbstbewusstsein von Systemen, Networking und Modellierung. Bei einem Grillabend im Anschluss gab es die Möglichkeit die von den Vorträgen angeregten Diskussionen fortzusetzen.

An den nächsten drei Tagen fanden die Hands-On-Workshops statt. Drei verschiedene Workshops wurden angeboten, wovon jeder Studierende einen für die Dauer der Sommerschule im Voraus ausgewählt hatte. Ein Workshop fokussierte sich auf Time-Sensitive Networking. Dort erhielten die Studierenden zunächst die Aufgabe, mit dem OMNeT++-basierten TSN-Simulator von IDA ein zukünftiges Fahrzeugnetzwerk mit zonaler Struktur (vgl. Abbildung 1) abzubilden. Dabei erhielten sie Inputs zu den methodischen Vorteilen und Herausforderungen beim Einsatz von Simulationswerkzeugen zum Entwickeln und Testen komplexer Systeme, Netzwerke und Protokolle sowie erste praktische Erfahrungen mit der Technologie selbst. Hierbei stolperten die Studierenden über typische Herausforderungen von Simulationswerkzeugen, wie unterschiedliche Abstraktionsebenen, die beim Aufbau einer Simulation berücksichtigt werden müssen. In ähnlicher Weise erwies sich die Verwendung aller vom TSN-Simulator bereitgestellten (TSN-)Parameter als schwierig, und die Studierenden erhielten einen Einblick in die Komplexität dieser Systeme. Am Ende gelang es ihnen jedoch, eine Netzwerksimulation aufzubauen, die (Dummy-) „Sensor“-Daten von mehreren Sensorgruppen an einen zentralen Sensorfusionsknoten überträgt, und erste Experimente durchzuführen. Die zweite Aufgabe befasste sich mit dynamischen Szenarien, die Verkehrsoptimierung und Ressourcenmanagement erfordern. Dieses Szenario befasste sich dabei in erster Linie mit wissenschaftlichen Fragen, welche einen detaillierteren Einblick in zukünftige Forschungsrichtungen geben und die bestehende Technologien in diesem Bereich erheblich voranbringen. Die Aufgabe bestand darin, einen externen V2X-Sensordatenstrom (z. B. von einem anderen Platoon-Mitglied oder der Verkehrsinfrastruktur) in das bereits ausgelastete Fahrzeugnetzwerk zu integrieren. Schnell stellten die Studierenden fest, dass das einfache Hinzufügen des V2X-Sensordatenstroms zu Paketverlusten über viele Netzwerkverbindungen hinweg führt – eine nicht hinnehmbare Situation. Daher mussten sie die Datenströme mithilfe eines Ressourcenmanagers koordinieren und eine neuartige Objekt-Caching-Strategie anwenden, die die übertragenen Daten optimiert und als alternativer Verteilungsmechanismus dient. Dies wird durch den datenzentrierten Ansatz der Kommunikationsarchitektur ermöglicht. Die von den Studierenden durchgeführten Experimente zeigten, dass das Ressourcenmanagement in Kombination mit dem „intelligenten“ Caching die Integration des neuen Verkehrsstroms ermöglichte, ohne Zeit- und Sicherheitsanforderungen zu verletzen.

Figure 1: Zukünftiges Fahrzeugnetzwerk mit zonaler Struktur

In einem anderen Workshop beschäftigten sich die Studierenden mit dem Aufbau einer Platooningplattform. Primär bestand der Workshop darin Zugmaschinen und Anhänger zusammenzubauen, sowie die Steuerung in Betrieb zu nehmen. Der Modellastwagen von Tamiya erinnert in seiner Präzision und seinem Aufbau sehr an echte Lastwägen. Mit ihrer sehr gewissenhaften Arbeit waren die Studierenden in der Lage einen Lastwagen vollständig zusammenzubauen. Mit dem Verständnis über den Aufbau des Lastwagens fuhren Sie mit dem nächsten Schritt fort: Inbetriebnahme des High-Level Controllers. Dieser führt das ROS als Betriebssystem aus, welches all die notwendigen Machinelearning-Algorithmen und die Motorsteuerungen miteinander verbindet. Diese Plattform soll als Basis zukünftiger Forschung im IPF-Projekt dienen.

Unser dritter Workshop beschäftigte sich mit ressourcenschonender Implementierung von maschinellem Lernen auf FPGAs. In einem ersten Schritt machten sich die Studierenden mit regelbasiertem Reinforcement Learning (RL) anhand eines Matlab-Models vertraut. Dabei wurden verschiedene Parameter sowie deren Einfluss auf das Verhalten der ML-Einheit untersucht. Am Ende des Tages war die ML-Einheit der Studierenden in der Lage ein umgekehrtes Pendel zu balancieren. Am zweiten Tag des Workshops beschäftigten wir uns mit möglichen Optimierungen des ML-Algorithmus, um diesen effizient auf einem FPGA zu implementieren. Hierfür erhielten die Studierenden eine nicht optimierte VHDL-Implementierung unserer regelbasierten RL-Einheit. Basierend auf dieser Implementierung wurden die Nachteile von hohen Sensorauflösungen und Floatingpoint-Darstellung in Hardware, sowie potentielle Optimierungen am Algorithmus gefunden. Basierend auf diesen Erkenntnissen erarbeiteten die Studierenden Lösungsansätze (z.B. Quantisierung von Messwerten), welche sogleich in der Matlab-Simulation getestet wurden. Am dritten Tag des Workshops wurden die an den Vortagen erarbeiteten Konzepte in VHDL implementiert. Hierbei konnten die Studierenden nun ihre Codingfähigkeiten zeigen. Trotz des sehr straffen Zeitplans dieses Workshops ließen wir keine Möglichkeit aus, um zu diskutieren, wie die Forschung und das Wissen der Studierenden zu weiteren Verbesserungen am ML-Design beitragen können.

Am letzten Tag der Sommerschule wurden die Erfahrungen aus den letzten Tagen mit allen Anwesenden in Form von Vorträgen geteilt. Außerdem erhielten die Teilnehmer entsprechende Zertifikate.

All die bisher genannten Aktivitäten wurden durch soziale Komponenten wie gemeinsamem Mittagessen, Strandspaziergänge am Abend, sowie Abendeessen in typischen Restaurants ergänzt.

Wir genossen jeden Moment der Sommerschule, insbesondere die vielfältigen Diskussionen miteinander. Diese resultierten in einigen neuen Ideen für die Forschung der Teilnehmer, als auch der Organisatoren. Nochmals vielen Dank an BaCaTeC für deren großzügige Unterstützung, welche solche Veranstaltungen und Erfahrungen erst möglich macht.