Sonderprojekte zwischen Bayern und Florida

Prof. Dr. K. Krischer

Physics Dept. E19
Technische Universität München


Prof. Dr. O. Steinbock

Dept. of Chemistry
Florida State University

Reaktionsinduzierte Bewegung und Fluktuationen in Nanosystemen

Eine faszinierende, aktuelle Fragestellung in der chemischen Forschung ist, wie kleine Maschinen, die sich entweder selber autonom fortbewegen oder Fluide auf sehr kleinen Längenskalen antreiben können, auf molekularer Basis (ähnlich biologischen Nanomaschinen) realisiert werden können. Ziel unseres Projekts ist es, letztere Herausforderung anzugehen und zweidimensionale Nanopumpen herzustellen. Dafür wollen wir maßgeschneiderte Metallbeschichtungen auf inerten Isolatoroberflächen aufbringen. Im Fall des Erfolgs können mit diesen flachen Pumpenstrukturen willkürliche Pfade realisiert werden, wobei es auch möglich sein sollte, lokale Vermischungspunkte einzubauen. Die zugrunde liegende Konstruktionsidee basiert auf neuen Studien, in denen gezeigt wurde, dass Au/Pt-Nanostäbe in Wasserstoffperoxidlösung autonom translatorische Bewegungen ausführen können. Mittels Photolithographie und Metallabscheidung werden wir lange Ketten von Au/Pt-Nanoinseln auf Si-Wafern aufbringen. Diese Proben werden dann mit Wasserstoffperoxidlösung benetzt und mittels flouresziernder Nanokügelchen wird die lokale Bewegung der Flüssigkeit getestet.

Abschlussbericht

Dieses Projekt wurde als Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsgruppen von Prof. Katharina Krischer (Physik Deparment, Technische Universität München, Deutschland) and Prof. Oliver Steinbock (Florida State University, Tallahassee, Vereinigte Staaten von Amerika) durchgeführt. Das Projektziel war die Erforschung makroskopischer Effekte, die durch nanoskopische Strukturen ausgelöst werden.

Der Ausgangspunkt unserer Untersuchungen basiert in den Arbeiten von Prof. Mallouk et al. (Pennsylvania State University). Diese Gruppe entdeckte, dass katalytische Nanostäbchen eigenständige Bewegungen in (und auf) wässrigen Lösungen von Wasserstoffperoxid durchführen können (siehe z.B. Paxton et al. JACS 126, 13424, 2004). Die Länge dieser Nanostrukturen beträgt ungefähr 1 μm, während ihre Breite im Bereich von 100 nm liegt. Die Strukturen bestehen aus den beiden Metallen Gold und Platin, die jeweils eine Hälfte der Stäbchen ausmachen. Ihre
Geschwindigkeit variiert um 10 μm/s. Die Bewegung ist nahezu linear bei "hohen" Geschwindigkeiten und bezieht ihre Energie aus der katalytischen Zersetzung von H2O2 auf der Pt-Oberfläche der Nanostruktur.

Unser Projekt beruht auf der Hypothese, dass sich Au/Pt Nanostrukturen als Bausteine für Pumpen und Rührer verwenden lassen, die dann Flüssigkeiten entlang makroskopischer und beliebig geformter Wege transportieren können. Eine potentielle Anwendungsmöglichkeit solcher Apparate liegt im Bereich der Mikrofluidik und könnte hier das auf einfachen Rohrstrukturen beruhende Bauprinzip revolutionieren. Die angestrebte experimentelle Verwirklichung dieses Ansatzes basiert auf räumlich periodischen, immobilisierten Au/Pt Nanoeinheiten. Unsere Annahme ist dass derartige Systeme direktionale Flüssigkeitsströmungen auslösen werden.

Abbildung 1: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Pt/Au Nanopaaren unterschiedlicher Größen, die durch Chromoxid‐Spalten getrennt waren. Das Substrat war ein Chromoxid bedeckter Si‐Wafer.

Die Mittel, die von BaCaTec gewährt wurden, erlaubten Oliver Steinbock die Münchener Gruppe eine Woche gegen Ende Juni 2010 zu besuchen. Neben fruchtbaren und wichtigen Diskussionen wurden während des Besuchs zahlreiche, vorbereitende Experimente durchgeführt, wobei auch das Nanostrukturierungslabor des WSI und NIMs (Nanosystems Initiative Munich) einbezogen war. Auf Chromoxid bedeckten Siliziumwafern wurden submicrometer‐große Rechtecke aus Au und Pt, die einen leichten Überlapp hatten oder zumindest in elektrischem Kontakt miteinander zu sein schienen, aufgebracht. Die bimetallischen Paare wurden in langen linearen Ketten von einer Gesamtlänge von etwa 1 mm angeordnet. Verschiedene Größen und Abstände zwischen den Nanopaaren wurden realisiert. Eine typische Rasterelektronenabbildung der Oberflächenstrukturen ist in Abbildung 1 gezeigt.

Abbildung 2: Optische Mikroskopbilder von Pt/Au/Oxid‐Strukturen, die mit unterschiedlich konzentrierter H2O2‐Lösung bedeckt waren: links 3%, Mitte 9%, rechts 30%.

Die lithographisch strukturierten Proben wurden bezüglich korrelierter Flüssigkeitsbewegungen untersucht. Es wurden drei unterschiedliche experimentelle Anordnungen betrachtet: (i) Proben, die mit einer dünnen Schicht H2O2 bedeckt waren (unbedeckt und daher zur Atmosphäre hin offen), (ii) Proben, die mit einer dünnen Schicht H2O2 bedeckt waren, die wiederum mit einem Mikroskopglas abgedeckt wurden, (iii) Proben, die mit sehr kleinen Tropfen H2O2 bedeckt waren. Außerdem wurden Referenzexperimente mit destilliertem Wasser durchgeführt. Alle Experimente wurden bei Raumtemperatur ausgeführt. Die Beobachtung erfolgte mit einem optischen Lichtmikroskop (Zeiss), welches mit einem PC verbunden war. Die Flüssigkeitsbewegung konnte durch Verwendung von
Mikroperlen oder mit sich spontan bildende Gasblasen verfolgt werden.

Die Beobachtung von Gasblasen ist ein klarer Hinweis, dass die erwartete katalytische Zersetzungsreaktion von H2O2 an den Pt‐Nanoflächen stattfindet. Die Bildungsrate der Blasen nahm mit abnehmender Peroxid‐Konzentration ab und im Verlauf der Reaktion zu (Abbidlung 2). Letzteres ist wahrscheinlich auf die Verdampfung von Wasser zurückzuführen. Es konnte keine reproduzierbare Beobachtung der Blasenbewegung entlang der nanostrukturierten Linien festgestellt werden. Die Linien waren unter Hellfeldbeleuchtung klar als rötliche Streifen erkennbar. Dieser Effekt ist vermutlich auf Oberflächenplasmonenresonanz zurückzuführen. Insgesamt verursachte die Blasenbildung größere Probleme für unsere Experimente, da Zerplatzen, Ablösen und Aufwärtsbewegung der Blasen zu einer deutlichen Flüssigkeitsbewegung führten, die die gewünschte Bewegung störte. Die Experimente mit den Mikroperlen als Flusstracer verursachten dagegen eine ungewünschte Oberflächenkontamination der Probe.

Ein vollkommen unerwartetes Ergebnis war das Auftreten von ungewöhnlichen optischen Eigenschaften der nanostrukturierten Regionen gegen Ende und nach Abschluss des Reaktions‐Verdampfungsprozesses. Entlang strukturierter Linien bestimmter Breite fingen einige Pt/Au‐Felder an, intensiv weiß, gelb, grün oder blau zu leuchten. Der Ursprung dieser farbigen Leuchterscheinungen ist bisher unklar. Er könnte mit den Gold‐Platin‐Kontakten und oder den Zwischenräumen zwischen den bimetallischen Nanoflächen verbunden sein. Bisher haben wir einen
Satz Experimente mit einer fehlerhaften Probe, bei denen die Au‐ und Pt‐Flächen nicht verbunden aber relativ dicht beisammen waren, durchgeführt. Bei diesen Proben wurden keine Leuchterscheinungen beobachtet. Um eine bessere Einschätzung dieses ungewöhnlichen Effekts zu erhalten, sind klar weitere Experimente notwendig. Diese werden derzeit von den beiden Gruppen geplant.

Abbildung 3: Teilweise H2O2 bedeckte Au/Pt/Oxid Streifen. Die Au‐Pt‐Streifen erschienen blau, orange oder rot, je nach der Größe der bimetallischen Flächen. Zusätzlich fingen unter Reaktionsbedingungen einige Au/Pt‐Nanoflächen an intensiv weiss, gelb oder blau zu leuchten.

Zusammenfassend haben wir eine Fabrikationsmethode für komplexe Au/Pt/Oxid‐Nanomuster auf der Oberfläche eines isolierenden Substrats etabliert. Die Experimente zeigten verschiedene technische Probleme, vor allen Dingen die Notwendigkeit ausgefeilterer Flussmessungen. Des Weiteren erscheint es notwendig, die Reaktionsbedingungen auf niedrige Peroxidkonzentrationen zu beschränken, um starke Blasenbildung zu vermeiden. Schließlich haben wir verblüffende optische Erscheinungen beobachtet, deren weitere Untersuchung lohnend erscheint.

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